Fünf Inter­­view-Tipps, die immer funk­tio­nieren


Es gibt im Netz und in Biblio­theken unzäh­lige Ratschläge, wie man Inter­views richtig führt. Das Dumme: Fürs Corpo­rate Publi­shing funk­tio­nieren sie oft nicht. Diese hier schon.

Der YouTuber und die Kanz­lerin: Anfang Juli kam kaum einer um eine Meinung zum Merkel-Inter­view des YouTube-Stars LeFloid herum. Viel Zuspruch bekam der Video-Blogger nicht, inhalts­leer sei die halbe Stunde gewesen, zu höflich habe er gefragt und ja: dies sei ja noch nicht einmal ein Inter­view. Anschei­nend kursieren Krite­rien, wie ein echtes Inter­view zu sein hat.

Inter­view­technik: mangel­haft

Und in der Tat, gibt es im Netz und in der Stadt­bü­cherei viele Tipps für das „rich­tige“ jour­na­lis­ti­sche Inter­view. Oft lautet der Tenor: Seien Sie kritisch, haken Sie nach, nehmen Sie das Gegen­über in die Mangel, verführen oder zwingen Sie es zu Aussagen, die es lieber nicht hätte machen wollen.

Das Problem an diesen Tipps ist: Sie sind nur wichtig für einen kleinen Teil aller geführten und veröf­fent­lichten Inter­views dieser Welt; nämlich für die, bei denen die selbst­herr­liche Minis­terin oder der verschwie­gene Indus­trie­ka­pitän mal so richtig gegrillt gehören.

Die Grill­saison ist vorbei

Doch was ist mit all den Inter­views, wo das Gegen­über nicht Grillgut, sondern Partner ist? Kommu­ni­ka­ti­ons­ab­tei­lungen wollen während eines Change-Prozesses kein Inter­view mit dem CEO im Mitarbeiter­magazin drucken, bei dem dieser offensiv ange­gangen wird. Und ein Verhör zur Ökobi­lanz der Produk­tion im Kunden­magazin mag auch niemand. Nicht dass das prin­zi­piell ausge­schlossen wäre, aber in 16 Jahren pr+co wollte das noch niemand von uns haben.

Die Regel im Corpo­rate-Publi­shing-Agentur-Alltag sind Inter­views, in denen jemand etwas erklärt: eine neue Technik, die Vorteile eines Produkts oder einer Dienst­leis­tung. Und dann gibt es natür­lich auch noch viele „Inter­views“, die rein der Recherche dienen. Hier geht es vor allem darum, das Gespräch am Laufen zu halten und die inter­es­santen Stellen nicht zu verpassen.

Fünf Tipps für den Inter­view-Erfolg

Darum gibt es hier fünf goldene Tipps, die bei jedem Inter­view funk­tio­nieren – egal ob von Ange­sicht zu Ange­sicht oder am Telefon, egal ob reines Recher­che­in­ter­view oder Inter­view­por­trait:

  1. Notizen machen und wegschmeißen

    Wenn man sich vorbe­reiten kann, sollte man es tun. Gehen Sie das Gespräch im Geiste durch und stellen Sie sich vor, wohin die Reise gehen könnte. Notieren Sie Ihre Fragen und die zu behan­delnden Themen (oft gibt die Kommu­ni­ka­ti­ons­ab­tei­lung das ohnehin schon grob vor). Kurz vor dem Gespräch schmeißen Sie den Zettel weg! Naja, gut: Bewahren Sie ihn auf für Notfälle, aber halten Sie den Zettel nicht dauernd in der Hand. Wenn der Inter­viewer am Hilfs­kärt­chen klebt, wird sich nie ein Gespräch entwi­ckeln. Und er verpasst womög­lich sogar aufre­gende Aussagen und viel­ver­spre­chende Abzwei­gungen, weil ja jetzt Frage Nummer vier dran ist.

  2. Fragen­ho­ri­zont abste­cken und abschi­cken

    Kaum etwas nervt Inter­viewer und Gesprächs­partner so sehr, wie Fragen, die jetzt im Moment nicht beant­wortet werden können. „Das reiche ich dann per Mail nach“, „Moment, da schau ich schnell mal in diese Präsen­ta­tion. Irgendwo hier müsste sie sein“ – das zerstört jede Unter­hal­tung. Darum: Schi­cken Sie dem Gesprächs­partner vorab Ihre Leit­fragen, damit er weiß, ob er sich vorbe­reiten muss oder eh alles aus dem Effeff weiß.

  3. Eis brechen

    Sie spre­chen mit einem Menschen – immer. Da hilft es, zu Beginn das Eis zu brechen und in Kontakt zu kommen, bevor es um die Sache geht. Das geht am besten, wenn man ihn an seinen Gefühlen berührt und etwas Persön­li­ches fragt: „Sie als Sachse – wie hat es Sie denn nach Öster­reich verschlagen?“ Dazu braucht es natür­lich etwas Vorwissen und Vorbe­rei­tung. Zur Not kann man auch immer nach der beruf­li­chen Posi­tion fragen und welche Aufgaben damit verbunden sind. Darauf folgt meist ein eher nüch­ternes Referat. Hier kann man jedoch oft einhaken und etwas Persön­li­ches fragen: „Das hört sich aber span­nend / komplex / aben­teu­er­lich an. Dafür braucht es sicher­lich viel Mut / Geschick / Orga­ni­sa­ti­ons­ta­lent, nicht wahr? Oder wie empfinden Sie das?“ Jetzt spricht der Gesprächs­partner über sich, fühlt sich sicher und Sie erfahren außerdem noch etwas mehr über ihn. Dann beginnt das Inter­view.

  4. Klappe halten

    Stille ist unan­ge­nehm. Wenn der Inter­view­partner fertig ist mit seiner Ausfüh­rung, dann wider­stehen Sie der Versu­chung, die Stille sofort mit der nächsten Frage zu über­tönen. Über­lassen Sie das lieber Ihrem Gegen­über. Oft versucht er, das Gesagte noch einmal zu erklären und benutzt dafür eine andere, über­ra­schende Formu­lie­rung. Manchmal geht er auf weitere Zusam­men­hänge ein oder entwi­ckelt uner­war­tete Asso­zia­tionen. O-Ton-Gold findet man oft nicht durch Fragen, sondern durch Schweigen.

  5. Blei­stift spitzen

    Es ist eine verdammt gute Idee, Inter­views per Diktier­gerät oder Handy aufzu­zeichnen. Sonst schreibt man sich die Finger lahm und ist mit den eigenen Krit­ze­leien und Abkür­zungs­er­fin­dungen beschäf­tigt, nicht aber mit dem Inter­view­partner. Doch Block und Blei­stift müssen trotzdem sein. Machen Sie sich Notizen für spätere Nach­fragen, wenn Sie Ihrem Gegen­über gerade nicht ins Wort fallen möchten. Außerdem wirkt es profes­sio­nell seriös und gibt dem Inter­viewten Sicher­heit.

Mit diesen Tipps werden Sie nicht gleich zur zweiten Gisela Stein­hauer. Aber inter­es­santer wird’s. Für Sie selbst und Ihre Leser.

PS: Wer wissen will, wie sich LeFloid bei Angela Merkel ange­stellt hat, kann hier zuschauen.

Florian Burkhardt

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