Rote Karte für Text­bau­steine


Wer sprach­liche Klischees benützt, signa­li­siert dem Leser: Hier gibt es nichts Neues. Damit Botschaften ankommen, müssen allzu gängige Formu­lie­rungen verschwinden.

Textbaustein_SprachklischeesDer Chef gibt grünes Licht, damit das Projekt auf die Schienen gesetzt werden kann, um am Ende des Tages schwarze Zahlen zu schreiben. Die Welt der Texte ist voller Klischees.

Warum ist das so? Beim Hören und Lesen häufen wir einen Schatz an Formu­lie­rungen und Bildern an. Wenn wir schreiben, kommt uns dann dieses Sprach­ge­dächtnis zu Hilfe und bietet vorfa­bri­zierten Wendungen und Text­bau­steine an. Und wir greifen gerne zu.

Klischees haben zwei Vorteile: Sie sind schnell geschrieben und schnell verstanden. Wer rasch schreibt, fabri­ziert tenden­ziell mehr Klischees. Und die meisten davon sind auch dem Leser bekannt und daher flux mit der inneren Daten­bank abge­gli­chen.

Ohne Umweg raus aus dem Hirn

Dem stehen aber auch zwei entschei­dende Nach­teile entgegen. So schnell wie die Formu­lie­rung den Kopf des Lesers betritt, so schnell und geräuschlos ist sie auch wieder verschwunden. Sie erzeugt keine Aufmerk­sam­keit, denn das Gehirn erkennt nichts Neues, das Klischee eckt nicht an und bleibt nirgendwo hängen.

Sprachklischees_und_TextbausteineDie zweite Gefahr ist: Sprach­kli­schees sind nicht konkret und verne­beln die Sicht auf die wahren Zusam­men­hänge. Manchmal ist das ja auch so gewollt. Wenn nicht, sollte man genau sagen, worum es wirk­lich geht.

Ein Beispiel: Der Vertriebs­chef schreibt im Mitarbeiter­magazin: Wir werden den indi­schen Markt genau im Blick behalten. Was heißt, „genau im Blick behalten“? Womög­lich: Wir suchen in Indien neue Kunden. Das ist eine Spur konkreter und der Satz erzeugt mehr Echo im Leser.

Ein einziges Wort macht den Unter­schied

Sprach­kli­schees schlei­chen sich leicht ein. Darum sollten Sie Ihre Texte immer auf Klischees über­prüfen. Hierzu vier Tipps:

  1. Je konkreter, desto weniger Klischee.
  2. Viele Phrasen star­teten einmal als starkes Bild: zittern wie Espen­laub, himmel­schrei­ende Unge­rech­tig­keit. Mit der Zeit nutzt sich das Bild aber ab. Lassen Sie sowas einfach weg.
  3. Manchmal reicht es schon, ein einziges Wort zu ändern und schon weht frische Luft durch das Hirn des Lesers. (Haben Sie gemerkt, dass es eben kein Wind war, der wehte?)
  4. In vielen Fällen hilft nur Umfor­mu­lieren. Die Preise für Argon klet­terten in den letzten Jahren in schwin­del­erre­gende Höhen.
    Daraus könnte man machen: Vor drei Jahren bekam man für einen Euro noch 14 Liter Argon, heute nur noch 5.

So verbes­sern Sie mit wenig Aufwand Ihre schrift­liche Kommu­ni­ka­tion. Denn Botschaften ohne Text­bau­steine erzeugen mehr Aufmerk­sam­keit.

Sprach­bau­kasten zum Wegwerfen

Wie oft haben Sie das hier schon gelesen? Eine kleine Liste hoffent­lich bald vom Aussterben bedrohter Text­bau­steine:

  • hoch­ka­rätig (viel öfter bei Gästen als bei Juwelen anzu­treffen)
  • ins Auge fallen oder stechen (autsch!)
  • etwas außen vor oder links liegen lassen
  • grünes Licht geben und die rote Karte zeigen
  • Auftakt oder mit Pauken­schlag eröffnen (Veran­stal­tung)
  • aus den roten Zahlen kommen oder welche schreiben
  • Durst­stre­cken und Hunger­äste über­winden
  • der harte Boden der Tatsa­chen
  • ohne Netz und doppelten Boden
  • ein Problem steht im Raum und wirft Fragen auf
  • jemanden mit einbinden
  • ein echtes Anliegen (im Gegen­satz zu den unechten Anliegen)
  • Halb­werts­zeit und Lack­mus­test (klingt wissen­schaft­li­cher als Halt­bar­keit oder Test)
  • am Ende des Tages (also: am Ende)
  • Kosten, die explo­dieren oder ausufern
  • hände­rin­gend suchen (Fach­kräfte oder Auszu­bil­dende)
  • fieber­haft suchen (Lösung oder Täter)
  • kühlen Kopf bewahren
  • über­wäl­ti­gende Mehr­heiten
  • Vorreiter oder Pionier für etwas sein
  • jemanden ins Boot holen
  • in schwin­del­erre­gende Höhe klet­tern (Dach­de­cker oder Preise)
  • mehr als zufrieden sein (also zufrie­dener oder am zufrie­densten?)
  • in den Sternen stehen
  • zu neuen Ufern aufbre­chen
  • kühnste Erwar­tungen über­treffen
  • die letzten Zweifel besei­tigen
  • Silber­streif am Hori­zont und Licht am Ende des Tunnels
  • auf einem guten Weg sein
  • Luft nach oben haben
  • erdrutsch­artig einbre­chen oder siegen
  • etwas absegnen
  • aufs Tempo drücken oder den Fuß von der Bremse nehmen
Florian Burkhardt

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