Auf Eisblö­cken in die Fest­an­stel­lung

Eveline Blohmer hat vor wenigen Monaten den freien Jour­na­lismus sitzen lassen und ist mit pr+co durch­ge­brannt. Eine Bilanz nach den Flit­ter­wo­chen.

Plötz­lich waren sie kalt, die Füße. Dabei hatte es mit uns so unbe­schwert ange­fangen: Eine Freundin hatte mich auf die Annonce von pr+co aufmerksam gemacht, und die kam so adrett daher, dass ich spontan mein Glück versu­chen wollte – obwohl ich recht zufrieden war mit meiner Tätig­keit als freie Jour­na­listin.

Auf einen Schrift­wechsel folgte das erste Kennen­lernen, dann ein zweites mit gemein­samem Essen und gegen­sei­tigem Beäugen und Beschnup­pern. Als mir die Geschäfts­führer hernach sagten, man könne es sich gut vorstellen mit mir, lag mir ein beherztes „Ja, ich will“ schon auf der Zunge. Doch wer sich ewig binden will, soll prüfen. Und wer im Begriff ist, sich für eine Fest­an­stel­lung in einer Corpo­rate-Publi­shing-Agentur vom freien Jour­na­lismus zu trennen, sowieso.

Immerhin hatte ich mich in den vergan­genen vier Jahren ziem­lich wohl­ge­fühlt mit ihm. Oder viel­leicht vor allem mit dem Gefühl, arbeiten zu können, wann ich will und nicht jedes Thema machen zu MÜSSEN. In Anbe­tracht der Zeilen­preise, die Print­me­dien an Freie zahlen, ist das aller­dings wirk­lich nicht mehr als ein Gefühl – und ein Fest­ge­halt damit eine verlo­ckende Mitgift.

Tausche Frei­heit gegen Kollegen

Nach dem Antrag drehten sich meine Gedanken um die immer glei­chen Fragen: Will ich meine Frei­heit wirk­lich aufgeben? Niemals auch mal mit anderen lieb­äu­geln (die Rede ist von Auftrag­ge­bern!). Meinen Rhythmus anpassen und mir auch mal was sagen lassen? Das Hirn rotierte – doch der Bauch entschied. Andern­tags gab ich mein Ja-Wort per E-Mail.

Als ich dann im Juli 2018 über die Schwelle von pr+co trat, schlot­terten meine Knie, wusste ich doch nicht, ob der Bauch recht behalten sollte. Jetzt, gute drei Monate später, ruft er mir zu: „Ich hab’s dir doch gleich gesagt!“ Wobei ich hier viel­leicht auch zu viel in das zufrie­dene Rumpeln hinein­in­ter­pre­tiere, mit dem er das tägliche Mittag­essen im Kolle­gen­kreis verdaut.

Ganz fest frei dank flexi­bler Arbeits­zeiten

Das ist ein wich­tiger Grund, warum ich es noch kein einziges Mal bereut habe, die Selbst­stän­dig­keit für pr+co aufge­geben zu haben: Hier funk­tio­niert nicht nur das gemein­same Arbeiten, sondern auch das Mitein­ander. Sicher auch, weil ein paar der Kollegen schon von Haus aus ähnlich ticken oder ticken müssen – Stich­wort Kinder.

Nur auf den Doppel­namen Blohmer-pr+co hat sie verzichtet. (Foto: Chris­toph Kalscheuer)

Auch die Sorge, dass ich mit der Unter­schrift unter dem Arbeits­ver­trag meine Flexi­bi­lität einbüße, die Kita-Schließ­zeiten, erhöhte Tempe­ratur und maxi­male Unlust beim Nach­wuchs oft erfor­dern, erwies sich als unbe­gründet: Zwar machen die Kollegen einen Bogen um mich, wenn zu Hause ein Magen-Darm-Virus wütet, aber dass ich deswegen mal länger, mal kürzer oder auch mal gar nicht da bin, findet offenbar keiner zum Kotzen.

Die Bein­frei­heit für Mitar­beiter, die der Geschäfts­führer im Vorstel­lungs­ge­spräch als Plus für pr+co anführte, gibt es wirk­lich – und damit ist nicht (nur) gemeint, dass kurze Hosen im Sommer hier kein Verstoß gegen den Dress­code sind: Solange die Arbeit nicht zu kurz kommt, darf hier jeder auch ein Privat­leben haben. Und wenn das eben hin und wieder aus dem Kühlen von fiebernden Kinder­köpfen besteht, kann ich auch zu unge­wöhn­li­chen Zeiten oder zu Hause schreiben. Freier geht es fest fast kaum.

Verliebt in die Themen­viel­falt

Nun kann aber die äußere Erschei­nung so anspre­chend sein wie sie will – wenn’s innen nicht stimmt, ist der Ofen schnell aus. Will heißen: Ange­nehme Arbeits­be­din­gungen sind das Eine, aber die Arbeit selbst ist es, die zählt. Auch hier waren meine Bedenken haltlos, dass es mir mit einem Arbeit- statt mehreren Auftrag­ge­bern schnell fad werden könnte. Denn monogam, pardon, monoton geht es bei pr+co nicht zu: Die Themen­viel­falt, die 20 Mitar­bei­ter­zeit­schriften und Kunden­magazine gene­rieren, ist so groß, dass ich als Freie lange hätte freien müssen, um sie zu errei­chen.

Wer jetzt entgegnet, dass nach drei Monaten immer alles noch rosarot (oder im Fall von pr+co doch eher orange) erscheint, irgend­wann aber die Routine Einzug halten wird, dem sei gesagt: Gemein­sames Zähne­putzen und Jogging­hosen-Gammelei kann sich richtig richtig anfühlen – wenn’s eben mit dem Rich­tigen ist. Ich freue mich sehr auf die gemein­same Zukunft mit pr+co, beson­ders auf den 16. April 2019. Dann sind wir nämlich seit neun Monaten verhei­ratet und dürfen brauch­tums­gemäß unsere Bier­hoch­zeit feiern.

Eveline Blohmer
  • Autorin:
    Eveline Blohmer
  • Datum:
    06.11.2018
  • Lesezeit:
    einen tiefen Augenblick lang

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