Tausche Mani­fest gegen Magazin

Was will denn ein Philo­soph bei den Maga­zi­ni­kern? Redak­teur werden! Dass dieser Sprung gelingen kann, zeigt unser Magaziniker Paul Mehnert.

„Ach herrje! Wie willst du denn damit mal dein Geld verdienen?“ ─ Mit dieser Frage musste ich mich während meines Philo­so­phie­stu­diums oft herum­schlagen. Einige Bekannte prophe­zeiten mir eine Karriere als Taxi­fahrer, andere warnten mich vor über­mä­ßigem Alko­hol­konsum. Doch ich wollte weder betrun­kene Personen beför­dern noch im glei­chen Zustand durch die Eckkneipen meiner Nach­bar­schaft tingeln. Ich wollte Antworten auf die wich­tigen Fragen des Lebens. Und so zog ich mein Studium durch ─ allen Unken­rufen und Klischees zum Trotz.

Philo­so­phie ─ eine brot­lose Kunst?

Doch zuge­geben: In einigen Klischees steckt auch ein Fünk­chen Wahr­heit. So stimmt es etwa, dass Philo­so­phen gern disku­tieren – und sei es nur über den Sinn einer Pizza­schere. Das erfor­dert einen langen Atem. Und viel wich­tiger noch: Eine gut geölte Stimme. Kein Wunder also, dass der gemeine Philo­soph gern mal zu Bier und Wein greift. Er will ja schließ­lich im Rede­fluss bleiben.

Ansonsten ist das Philo­so­phen­da­sein aller­dings ziem­lich trocken. Statt Bars und Kneipen sah ich vorwie­gend Hörsäle und Biblio­theken von innen. Die meiste Zeit verbrachte ich damit, Bücher zu wälzen, Argu­mente zu verstehen und Gegen­ar­gu­mente zu finden. Eine mühse­lige Sisy­phus­ar­beit. Schließ­lich ist die Philo­so­phie kein toter Hausrat, wie Johann Gott­lieb Fichte einst sagte. Sie ist lebendig und ständig im Wandel. Das Philo­so­phieren findet also kein Ende. Finale Antworten auf die wich­tigen Fragen des Lebens? Puste­ku­chen!

Was macht eigent­lich ein Philo­soph? ─ Lesen und Lernen ─ das dachten sich meine Eltern.

Oder Alkohol trinken? … Davon gingen zumin­dest meine Freunde aus.

Ich hingegen fühlte mich so … auf Augen­höhe mit Platon & Co. …

… Während mich die Gesell­schaft wahr­schein­lich so wahr­nahm.

Doch letzt­lich sah mein Philo­so­phen­alltag so aus.

Und dennoch haben mich Platon, Kant & Co. in all den Semes­tern nach­haltig geprägt. Sie haben mir ein tieferes Verständnis für die Welt gegeben, mich um die Ecke denken lassen und auf der Suche nach Glück und Selbst­ver­wirk­li­chung beraten. Wenn mich daher jemand fragt, ob die Philo­so­phie eine brot­lose Kunst sei, kann ich nur den Kopf schüt­teln. Für mich ist die Philo­so­phie das beste Hand­werk, um schwie­rige Entschei­dungen zu treffen und neue Perspek­tiven einzu­nehmen. Ob nun beruf­lich oder privat. Da braucht es auch keine finalen Antworten, sondern nur eine große Portion Hirn­schmalz. Und davon haben Philo­so­phen reich­lich auf Lager.

„Ich sehnte mich danach, für echte Leser zu schreiben – abge­druckt in Maga­zinen oder online.“

Ausbruch aus dem Elfen­bein­turm

Jedoch kennt der Alltag eines Philo­so­phen oft nur eine Farbe: Theo­rie­grau. Statt Welt­retten gibt’s Semi­nar­de­batten. Das war auf Dauer nichts für mich. Ich wollte aus meinem Elfen­bein­turm ausbre­chen, raus in die Welt und aus der Theorie Praxis werden lassen. Keine Essays mehr, die nach einma­ligem Lesen in einer Kartei verschwinden. Ich sehnte mich danach, für echte Leser zu schreiben ─ abge­druckt in Maga­zinen oder online. So begab ich mich auf Jobsuche und landete prompt in der Fuchs­eck­straße bei den Maga­zi­ni­kern.

Wer das Mani­fest satt hat, greift lieber zum Magazin. ─ Mehr Bilder, weniger Buch­staben UND leichter zu verstehen. 😉

Bereits der erste Arbeitstag war ein Erlebnis. Statt des gewohnten Biblio­thek­miefes begrüßte mich am Eingang der Duft druck­fri­scher Maga­zine. Zeit zum Durch­atmen blieb mir aber kaum. Es ging gleich ans Einge­machte. Meine To-Do-Liste füllte sich mit einem Inter­view, ein paar Meldungen und einem Produkt­be­richt. Kein kate­go­ri­scher Impe­rativ, kein spino­zis­ti­scher Deter­mi­nismus … „Urlaub fürs Gehirn“, dachte ich mir. Doch zu früh gefreut. Denn die Kollegen redi­gierten umge­hend meine eupho­risch verfassten Texte. Das Urteil war ernüch­ternd: Zu passiv, zu abstrakt, viele Nega­tionen und verschach­telte Sätze mit Nomi­nal­stil. Alles in allem zu akade­misch! Uff. Die Erkenntnis des ersten Arbeits­tages: Lass den Philo­so­phen lieber zuhause.

Redak­teur meets Philo­soph

„Viel zu lernen du noch hast, junger Padawan“, das werden sich wahr­schein­lich einige Kollegen in den ersten Wochen gedacht haben. Allen voran Florian – mein Magaziniker-Mentor. Von Anfang an war er mein größter Kritiker. Doch auch der beste Ratgeber. Ich lauschte aufmerksam seinen Worten, notierte mir alle Tipps und schraubte kräftig an meinem Schreib­stil. Von „kompli­ziert und abstrakt“ zu „einfach und lebendig“. Der Philo­soph blieb außen vor. Ich entdeckte den Redak­teur in mir ─ sehr zur Freude meines Lehr­meis­ters.

Smells like magazin spirit.

Aller­dings war der Philo­soph damit nicht verschwunden. An vielen Stellen half er mir noch. Gerade dann, wenn ich völlig ahnungslos in neue Themen­ge­biete eintauchte. Denn hier ist der Philo­soph in seinem Element. Für ihn sind tiefe Tauch­gänge kein Problem. Kein Thema ist ihm zu komplex. Schließ­lich ist nichts komplexer als die Hegel­sche Dialektik. Es war mir daher mehr Vergnügen als Arbeit, den Aufbau von Lasern, Lüftern oder Dosier­pumpen zu verstehen. Ich fuchste mich rein, in guter alter Philo­so­phen­ma­nier.

„Hier greift ein Zahnrad ins andere und am Ende gibt’s fetten Content für echte Leser.“

Und dabei ist es auch geblieben. Redak­teur und Philo­soph haben sich versöhnt und sind ein Team geworden. Der Philo­soph denkt sich rein. Der Redak­teur drückt es aus. Simple as that! So wandelte ich mich binnen weniger Monate vom Akade­miker zum Magaziniker und freue mich riesig, im Fuchseck heimisch geworden zu sein. Nicht nur wegen der viel­fäl­tigen Themen, die mir jeden Tag begegnen, sondern auch wegen des Teams – einer Bande aus Krea­tiven. Hier greift ein Zahnrad ins andere und am Ende gibt’s fetten Content für echte Leser, ob druck­frisch in einem Magazin oder als Online-Mag. Praxis, wie ich sie mir gewünscht habe. :)

Paul Mehnert
  • Autor:
    Paul Mehnert
  • Datum:
    16.12.2020
  • Lesezeit:
    etwa 7 Minuten

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