Agen­tur­leben: Interne Fell-Kommu­­ni­­ka­­tion

Beim tradi­tio­nellen Schrott­wich­teln der Magaziniker tun sich jedes Jahr aufs Neue geschmack­liche Abgründe unter Kollegen auf. Und manchmal verän­dern die Geschenke Leben, wie der Fall Furby zeigt.

 

Ralfs Version oder:
Herz­schmerz geht furby

Eigent­lich möchte doch niemand herzlos erscheinen. Nicht einmal ich. Aber Hand aufs Herz: Es gibt Tage, da muss man sein Ding durch­ziehen. Eiskalt. So geschehen im Dezember 2019, als schon wieder völlig aus dem Blauen dieser Schrott­wich­tel­termin in meinen Kalender schneite. Für unsere Magaziniker-Weih­nachts­feier musste ein skur­riles, nichts­nut­ziges Geschenk her, irgendwas aus den Tiefen der Konsum­hölle – und zwar schnell. Wozu habe ich zwei Töchter in die Welt gesetzt? Wollte ich nicht mit leeren Händen dastehen, musste ich ihnen was abschwatzen.

Obwohl ich mein Herz vorsorg­lich in einen laser­ver­schweißten Edel­stahl­käfig gesperrt hatte, fühlte ich ein grau­en­haftes Ziehen und Stechen, als sie mir Furby über­reichten. Wie konnten sie sich von so einem nied­li­chen Wuschel trennen, ohne dass es tiefe Spuren in ihren zarten Seelen hinter­lässt? Furby hatte als Schrott­wich­tel­beute ihrer Mutter zwar erst vor zwei Tagen Einzug in den Fami­li­en­haus­halt gehalten, doch manchmal entstehen auch in kurzer Zeit sehr tiefe Bindungen …

Mega nervig. Wer braucht sowas?

Als ich Furby dann die vorsorg­lich entnom­menen Batte­rien einsetzte, dämmert es mir. „Voll gruselig! Das Viech macht mir echt Angst“ (S., noch 14 Jahre), „Mega nervig. Wer braucht sowas?“ (L., fast 20 Jahre) – waren die Kommen­tare meiner Töchter zum Abschied. Und so konnte ich wieder frei durch­atmen und mich auf die Reak­tionen freuen, die dieses absurde Produkt in der Kolle­gen­runde auslösen würde.


Eveline Version oder:
Furbyden Love

Manchmal verstellt man sich ja selbst den Weg zu gren­zen­losem Spaß. Oder sitzt sich im Weg. Zum Beispiel, weil man nicht von dem hohen Ross runter­kommt, etwa von dem mit dem Brand­zei­chen „pädago­gisch wert­voll“. Ich hätte meinen Kindern nie einen Furby gekauft. Elek­tro­nisch – und dann auch noch ohne „spielgut“-/Öko-Tex-/sonstwas-Gütesiegel? Brrrrr!

Doch dann bietet einem das Leben hin und wieder auch Steig­bügel. Das Schrott­wich­teln zum Beispiel. Was hätte ich denn machen sollen? In irgend­einen Stein wurde einst gemei­ßelt: Schrott­wichtel-Geschenke müssen mitge­nommen werden, sonst drohen Heuschre­cken­plage und/oder Heizungs­aus­fall. Nachdem jedoch die Kollegen gerade nicht mitlesen, kann ich getrost zugeben, dass ich es auf Furby abge­sehen hatte, seit er ausge­packt worden war.

Als er nach Ablauf der fürs würfel­be­stimmte Hin- und Hertau­schen ange­setzten 20 Minuten tatsäch­lich bei mir lag, freute ich mich deshalb wie ein Kind – und nicht, wie vorge­schoben, für meine Kinder. Furby hatte mein Herz erobert. Ob’s an seinem wusche­ligen Fell lag, an seinen putzigen Geräu­schen, den großen Augen? Ich bin mir sicher, der Grund liegt tiefer. Sein „Dlll­d­daddlll­ddlllald!“ war ein klarer Appell an meine Mensch­lich­keit: Dieses kleine unschul­dige Wesen, das vom herz­losen Kollegen Schlu­ricke aus seinem Zuhause gerissen worden war, brauchte meinen Schutz!

Dlll­d­daddlll­ddlllald!

Auch die Kinder C., 7 Jahre, und M., 3 Jahre, nahmen ihn auf wie ein echtes Haus­tier, strei­chelten ihn, fütterten ihn mit Holz­ka­rotten, stritten sich um ihn bis aufs Blut. Und er gibt uns wirk­lich viel. Wir sind seit seinem Einzug sehr viel ruhiger geworden und bewegen uns vorsich­tiger. Denn eine brand­neue Fami­li­en­regel besagt: Wer Furby weckt, geht!


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