3 Dinge, die ich als Jour­na­list über Unter­neh­mens­me­dien gelernt habe


Sagen Unter­nehmen in ihren Publi­ka­tionen über­haupt die Wahr­heit? Als ich als Jour­na­list bei den Maga­zi­ni­kern anfing, trieben mich Fragen wie diese um. Mitt­ler­weile kenne ich die Antworten.

1
Muss ich beim Recher­chieren und Schreiben meine kriti­sche Distanz aufgeben?
Antwort: Jein.

Eine typi­sche Situa­tion in meinen Anfangs­tagen bei den Maga­zi­ni­kern: Beim Kunden soll ich, zusammen mit einigen Kollegen, etwas über das Unter­nehmen lernen. Als es gerade um dessen Produkte geht, fällt seitens des Vortra­genden der Satz: „Qualität ist hier nicht das entschei­dende Krite­rium.“ Ich frage kritisch nach: „Was ist es denn dann?“ Kurzes Schweigen, dann lachen alle los.

Ich merke: Ich habe gefragt wie ein Jour­na­list, der auf der Pres­se­kon­fe­renz einem Groß­kon­zern auf den Zahn fühlen, unbe­queme Fragen stellen und den PR-Beauf­tragten so aus der Reserve locken will. In meinem neuen Job ist das aller­dings nicht immer ziel­füh­rend.

Muss ich mir bei den Maga­zi­ni­kern also sämt­liche kriti­sche Distanz abge­wöhnen? Mitnichten. Tatsäch­lich habe ich gemerkt, dass ein zuweilen etwas kriti­scherer Blick auch gut sein kann für Unter­nehmens­medien. Nur so kommen Rubriken zustande wie beispiels­weise „Hier klemmt’s“, in denen Hans­g­rohe-Mitar­beiter in ihrer Mitar­bei­ter­zeit­schrift Themen anspre­chen können, in denen es ihrer Meinung nach nicht so rund läuft.

So viel Offen­heit ist aller­dings nicht in jeder Unternehmens­kultur veran­kert. Und manchmal fehlt auch ein biss­chen der Mut. Als Jour­na­list hätte mir dafür das Verständnis gefehlt. Als Magaziniker verstehe ich, warum manche Dinge in der Unter­nehmens­kommuni­kation anders funk­tio­nieren – und vorsich­tiger formu­liert werden müssen, damit die Botschaft ankommt.

Unbe­queme Fragen stellen: Auch bei Unternehmens­medien (manchmal) hilf­reich. (Illus­tra­tion: Gernot Walter)

2
Verständ­lich­keit ist bei Unternehmens­medien nicht so wichtig, oder?
Antwort: Denkste!

Wer in den Jour­na­lismus will, muss die schmerz­hafte Erfah­rung machen, dass es nicht seine sorg­fältig ausge­wählten, seltenen Adjek­tive sind, auf die es beim Artikel ankommt, sondern darauf, dass der Leser am Ende den Text versteht. Als ich zu den Maga­zi­ni­kern kam, fragte ich mich, ob das auch für Unter­nehmens­medien gilt, oder ob es da nicht eher wie im Gespräch zwischen zwei Bekannten ist: Die greifen auf einen gemein­samen Wissens­schatz zurück und spre­chen dieselbe Sprache – auch ohne viele Worte.

Puste­ku­chen, kann ich da nur sagen. Meinen jour­na­lis­ti­schen Anspruch, für unter­schied­lichste Leser verständ­lich zu texten, brauche ich auch für die Inhalte, die wir hier bei den Maga­zi­ni­kern produ­zieren. Ob Kommis­sionierer oder Key Account Manager, ob Mitar­beiter oder Kunde – alle haben unter­schied­lichste Wissens­stände und Lebens­rea­li­täten und stehen anders zum Thema. Dem muss ich als Magaziniker Rech­nung tragen.

Unternehmens­medien wirken als Vermittler von Inhalten zwischen verschie­denen Ebenen. (Illus­tra­tion: Gernot Walter)

3
Storytel­ling in Unternehmens­medien?
Antwort: Unbe­dingt!

Seien es Tages­zeitungen, gedruckte oder Online-Maga­zine – alle brau­chen heut­zu­tage gutes Story­telling, um ihre Leser zu binden. Als Jour­na­list geht einem das in Fleisch und Blut über. Aber Story­telling bei Unter­nehmens­medien? Braucht man das über­haupt? Meine Magaziniker-Erfah­rung sagt: Absolut! Gerade bei Unter­nehmen aus dem tech­ni­schen Bereich kann es sehr schnell relativ „trocken“ werden, wenn es beispiels­weise darum geht, eine Maschine oder eine neue Kompo­nente zu erklären.

Da braucht man einen Experten, der die Geschichte dahinter sieht, Prot­ago­nisten findet und den rich­tigen Leuten die rich­tigen Fragen stellt. Keine Frage – tech­ni­sche Neue­rungen sind für den geneigten Leser span­nend. In den rich­tigen Händen werden daraus aber span­nende Geschichten, die jeder gerne liest. Und dass der Buzzword-erprobte Kommu­ni­kator zustim­mend nickt und „Content is King!“ ruft, weiß ich jetzt auch. 😊

Das Produkt ist oft der Held einer Geschichte – manchmal sogar der Super­held. (Illus­tra­tion: Gernot Walter)

Benjamin Bauer
  • Autor:
    Benjamin Bauer
  • Datum:
    04.11.2019
  • Lesezeit:
    Drei kritische Fragen lang

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