Digitale Magazine sind messbar und liefern unumstößliche Fakten zur Reichweite und den tatsächlichen Leser-Interessen. Das ist schön - aber nur die halbe Wahrheit.
Keine Frage: Wir sind froh, dass wir im Digitalen wirklich messen können, dass wir die auf Wünschen und Schätzungen basierende Bewertung aus der Print-Welt durch nachprüfbare Fakten ersetzen können.
Aber wie kann man diese vielen bunten Werte miteinander vergleichen? Haben wir damit so unumstößliche Tatsachen wie oft behauptet wird? Und was verraten uns die Zahlen über den Leser wirklich? Wir haben mal genauer nachgerechnet.
1 Leser zählen: Printauflage versus Online-Magazin-Artikel
Beginnen wir ganz einfach mit Äpfeln und Birnen: Manch einer staunt nicht schlecht, wenn ein bestimmter Magazinbeitrag online nur einige wenige Besucher ausweist, liegt doch die Druckauflage seines Magazins bei mehreren tausend Exemplaren! Natürlich hofft jeder Redakteur, dass jede Ausgabe der Auflage den Weg zum Leser findet und dieser dann jeden Artikel darin aufmerksam zu Ende liest – in der Realität bleibt das natürlich Wunschdenken.
Die Printauflage eines Unternehmensmagazins zeigt eine theoretisch mögliche Verbreitung auf – vielleicht ist sie vergleichbar mit der Anzahl der Online-Zugänge in der Zielgruppe, niemals aber mit tatsächlich ermittelten Leserzahlen eines einzelnen Artikels.
2 Über die Reichweite und Kontakte bei Online-Magazinen
Aus der Welt der Anzeigenvermarktung kennen wir den Tausend-Kontakt-Preis – eine Kennzahl die beschreibt, wie viele Menschen beispielsweise mit einem Plakat „in Kontakt kommen“ könnten – wenn denn alle passierenden Autofahrer (und ihre Beifahrer) die Litfaßsäule am Straßenrand tatsächlich bemerkt hätten.
Ob Facebook, LinkedIn, Instagram oder Twitter – alle Plattformen weisen einen „Reach“-Wert aus, also wie viele Menschen (theoretisch) „erreicht“ wurden. Gemessen wird hier jeder Kontakt, der an Ihrem Beitrag „vorbeigefahren“ ist, also den Beitrag in seiner Timeline durchgescrollt hat. Ein ebenso luftiger Wert, der erst im Kontext mit einer tatsächlichen Interaktion an Aussagekraft gewinnt. Erst ein Klick auf Ihren Teaser macht aus zufälligen Passanten echte interessierte Besucher.
Die Werte „Reach“ und „eindeutige Besucher“ sind sich noch unähnlicher als Äpfel und Birnen.
3Tracking bis auf die Nachkommastelle genau
Auf einigen der von uns betreuten Websites haben wir mit unterschiedlicher Analysesoftware parallel gemessen. Nie waren die gewonnenen Daten genau gleich, teilweise waren die Abweichungen erheblich. Das liegt an unterschiedlichen Interpretationen des Datenschutzes oder an unterschiedlichen Techniken der Zählpixel. Trotzdem weist jedes System bis auf eine Kommastelle genaue Zahlen aus – und vermittelt damit eine trügerische Genauigkeit.
Und dann sind da noch die von den Plattformbetreibern ausgewiesenen Zahlen. Da sollten doch z.B. die von LinkedIn ausgewiesenen Klicks mit denen auf der Website via Kampagnentracking gemessenen Eingängen übereinstimmen. Wir können Ihnen versichern: Das tun sie nie.
Über die Ursachen können wir nur spekulieren – was wir aber stets feststellen: Die Zahlen der Plattformanbieter sind immer etwas optimistischer, als die auf der Magazinseite gemessenen Eingänge.
Trotz gespielter Genauigkeit sind die Zahlen nur als grob gerundete Daten zu lesen. Und: Für echte Vergleichbarkeit achten Sie auf gleiche Erhebungsarten.
4 Was bewirkt Content Marketing – und was Weihnachten?
Wer Content Marketing betreibt weiß: Jede (erfolgreiche) Aktion erzeugt einen Peak, also einen erheblichen Ausschlag der Normal-Kurve. Also Vorsicht beim Vergleich von Zeiträumen: Sind die Kampagnen in diesen Zeiten auch vergleichbar? Sonst liegt es nahe, kurz vor dem Halbjahresgespräch noch zwei Posts bei Facebook zu bewerben – im Sinne von: „Guckt mal, unsere Zahlen gehen nach oben!“
Unter umgekehrten Vorzeichen gilt das aber auch für die Ferienzeiten – insbesondere im Sommer und an Weihnachten brechen die Zahlen alle Jahre wieder unverschuldet ein.
Erfolgreiche Marketing-Aktionen machen Ihnen den Durchschnitt kaputt. Und: Im B2B ist Weihnachten der natürliche Feind der Reichweite.
5 Mit „Big Data“ die Leser-Interessen einfach aus den Zahlen ablesen
„Big Data“ und „Data driven Content“ sollen uns helfen, den „lieben Leser“ und seine Interessen endlich besser zu verstehen.
Wenn ein Artikel vergleichsweise hohe Klickzahlen hat, dann kann das ein Hinweis auf ein besonders beliebtes Thema sein. Es kann aber auch nur bedeuten, dass der Artikel längere Zeit einen Top-Teaser auf der Startseite hatte – was oben steht, klickt schließlich besser. Oder war es die raffiniert getextete Klick-Bait-Headline? Oder schlicht das Bildmotiv? Oder hat die Social Media-Abteilung eine Kampagne gestartet von der Sie nichts wussten?
A-B-Tests sind ein gutes Verfahren, um solche Effekte gezielt austesten zu können. Aber Hand aufs Herz: Als mittelständisches Industrieunternehmen haben Sie in der Regel nicht so hohe Zugriffszahlen wie die Deutsche Bahn. Bis wir mit unseren B2B-Magazinen statistisch relevante Besucherzahlen erreichen, sind im nächsten Bundesland schon wieder Ferien.
Die ermittelten Zahlen geben uns wichtige Hinweise für eine weiterführende Analyse. Eine voll automatisiertes Leser-Verständnis bieten sie uns aber (noch) nicht.
Unterm Strich gilt:
Messen ist gut!!
Wir sind froh, dass wir im Digitalen endlich das Feedback haben, das wir bei Print so lange vermisst haben oder mit viel Aufwand manuell erheben mussten. Jede Kampagne muss auf ihre Wirkung überprüft und ausgewertet werden, Reichweitenmessungen geben uns wertvolle Hinweise für die Contentplanung.
Zwei Grundregeln, wenn Sie der Wahrheit näher kommen möchten:
- Schauen Sie sich die Daten genauer an!
Beachten Sie, wie sie zustanden gekommen sind (auch wenn es viel mehr Arbeit macht, als nur das Monats-Dashboard anzusehen). Seien Sie ehrlich bei der Anwendung der Zahlen. Vergleichen sie Äpfel nur mit Äpfeln. Oder erklären sie immer auch den Unterschied zu Birnen. - Schauen Sie sich die Daten ungenauer an!
Kommastellen sind ohne Bedeutung, runden Sie großzügig, verallgemeinern Sie, denken sie in größeren Zeiträumen. Jahreszahlen sind spannend – denn in jedem Jahr sind Urlaubszeit und Weihnachten bereits enthalten.
Wenn Sie eine strategische Zielsetzung verfolgen, sollten Sie bereit sein, langfristig zu planen und zu messen – so werden Sie erkennen, welcher Content bei Ihrer Zielgruppe am besten funktioniert.