Der European XFEL, der größte Röntgenlaser der Welt. Tief unter Hamburg gelegen, Photonen durch die Gegend schickend, den Blick in die Zukunft ermöglichend. Was für eine Aufgabe, daraus ein Lese-, Scroll, Foto-, und Illustrationsstück zu machen.
Der European XFEL, der größte Röntgenlaser der Welt. Tief unter Hamburg gelegen, Photonen durch die Gegend schickend, den Blick in die Zukunft ermöglichend.
Was für ein Mammutprojekt, was für eine Aufgabe, daraus ein Lese-, Scroll, Foto- und Illustrationsstück zu machen. Aber wir haben es ja unbedingt so gewollt. Und gar nichts bereut.
Genauer gesagt haben wir dabei nicht nur wahnsinnig viel gelernt und tolle neue Dimensionen entdeckt, sondern auch und vor allem sehr schicke Dinge erarbeitet. Immer im Team, immer in Zusammenarbeit.
Doch lassen wir doch am besten die Teammitglieder selbst zu Wort kommen.
Storytelling über Unvorstellbares
Magazinikerin Annina Werths nahm sich das Thema und den Text vor. Und sie hielt unseren kreativen Haufen zusammen.
Annina: Vorher/Nachher – Wie steht es mittlerweile um Dein physikalisches Wissen?
Physik? Nun ja… Nicht unbedingt meine Stärke. Aber wie bei fast allen Themen, in denen eine Geschichte steckt, ist gerade das von Vorteil: Sich zunächst einmal nicht sonderlich gut auszukennen. Recherche, klar, das muss sein. Aber vor allem will ich den Fachleuten ihr Wissen entlocken, ohne dass sie dabei all zu spezifisch und wissenschaftlich werden. Um Unvorstellbares greifbar machen zu können.
Physik? Nun ja…
Annina Werths, Redakteurin und Projektleitung bei den Magazinikern
Ich durfte mit schlauen Menschen sprechen (meine Stärke!), war auf Hilfe und Geduld angewiesen (die Stärke unserer Ansprechpartner am European XFEL!) und arbeitete mich in die faszinierende Entstehung des Röntgen-Laserblitzes ein. Ich tüftelte mit Uta Röttgers, was auf den Illustrationen zu sehen sein muss und mit Claus Schöffel an der Story-Idee, durch die sich der Leser in den Tunnel unter die Erde scrollt. Beim Shooting in Hamburg konnte ich leider nicht dabei sein, aber Jan Hosan hatte trotzdem im Kasten, wofür meine Worte nicht reichten.
Fotografiere das Unmögliche
Jan Hosan ist derjenige, der die Fotos und dabei das Unmögliche möglich gemacht hat.
Jan, der Laser ist sichtbar – wie hast Du das hinbekommen?
Eines Tages lautete meine Aufgabe: Mach‘ ein Bild vom Röntgenlaser des European XFEL. Okay dachte ich, das wird schon gehen.
Bei genauerer Betrachtung allderdings stellten sich mindestens drei Unmöglichkeiten heraus: 1. Der Laser ist unsichtbar. 2. Er setzt radioaktive Strahlung frei. Und 3. Noch nie ist es jemandem gelungen, ein Foto davon zu machen.
Wird schon irgendwie gehen, dachte ich weiter und beschloss, erstmal mit einer Expertin zu sprechen, genauer gesagt mit einer Physikerin vom European XFEL. Von ihr erfuhr ich, dass der Laser ganz vielleicht bestimmte Bestandteile in der Luft anregt und dass das ganz eventuell ein wenig Licht freisetzt. Bingo dachte ich – wenn Licht da ist, kann man es auch fotografieren.
Blieb noch die nicht unkritische Menge an radioaktiver Strahlung. Es wurde also klar: Ich würde nicht mit meiner Kamera neben dem Laser stehen, sondern nur meine Kamera, während ich mindestens im Nebenraum bin – durch Bleitüren von ihr getrennt. Es musste also ein langes Kabel her (etwa 30 Meter) und das wiederum musste durch eine Bleischleuse verlegt werden. Hier war also Bastelarbeit gefragt.
Bingo dachte ich – wenn Licht da ist, kann man es auch fotografieren.
Jan Hosan, Fotograf
Kaum war ebenjene erledigt, tauchte die nächste Schwierigkeit auf: Um noch theoretisches und sehr wenig Licht zu fotografieren, muss man sicher sehr lange belichten. Um das auf die Entfernung tun zu können, muss aber genug Spannung auf dem 30-Meter-Kabel sein. Das schafft kein Rechner oder ähnliches Gerät. Schwierig. Aber so viel sei an dieser Stelle verraten: Auch diese Aufgabe habe ich gelöst.
Blieb aber immer noch ein Thema: Wenn noch theoretisches und sehr wenig Licht fotografiert werden soll, darf im Raum keine noch so kleine Lichtquelle sein, denn sonst wird das wenige Licht von etwas mehr Licht überstrahlt. Wir haben also jede kleinste Lichtquelle, jedes LED-Lämpchen mit dreifachen Lagen an schwarzem Gaffa-Band überklebt.
Als all das erledigt war – und das hat schon die halbe Nacht gedauert – hieß es Kamera einstellen (mit einer geschätzten Schärfeebene), Bleitüren schließen, Auslöser drücken und hoffen, dass die Theorie von dem sehr wenigen Licht rund um den Laserstrahl stimmt.
Was soll ich sagen – sie stimmt. Ich habe das allererste Foto vom Laser des European XFEL gemacht.
P.S.: Die durch den Laser freigesetzte Strahlung klingt sehr schnell ab – meine Kamera war nicht zu Sondermüll geworden.
Die Photonen-Illustratorin
Kommen wir zur Illustratorin Uta Röttgers, die immer dann angefangen hat, wenn Jan seine Kamera weglegen musste, weil bestimmte Vorgänge einfach nicht zu fotografieren sind.
Uta, wie könnte ein Photon aussehen? Bitte zeichne mindestens drei Varianten.
Fotografen in die Unterwelt begleiten
Dann war noch im Team: Mike Gamio. Zuständig für die Making-Of-Fotografie und schon ein „alter XFEL-Hase“, der schon beinahe ungezählte Male Fotografen in die Unterwelt begleitet hat.
Mike, Ist fotografieren unter der Erde anders als darauf?
In diesem Fall heißt ja unter der Erde zu fotografieren, bei einem der spannendsten wissenschaftlichen Experimente dabei sein zu dürfen. Und das an einem Ort, an den nur wenige Menschen kommen. Somit ist „unter der Erde“ hier einfach der Traum für jeden, der Fotos macht und sich für Wissenschaft interessiert.
Einfach ein Traum für jeden, der Fotos macht und sich für Wissenschaft interessiert.
Mike Gamio von Fotogloria
Rein fotografisch ist es sicherlich eine Herausforderung, weil von Experiment zu Experiment die Gegebenheiten komplett anders sind. Hier ein Laser zu fotografieren (den man nicht sieht!), da ein unendlich langer Tunnel mit Experimenten – in dem wir uns übrigens mit dem Fahrrad fortbewegt haben – und im dritten Raum ein Wissenschaftler in einem zeltähnlichem Reinraum. Also muss ein Fotograf da unten sehr flexibel sein, da er viel improvisieren und ausprobieren muss. Solche Situationen findet man bei alltäglichen Shootings eher selten vor.
Aber darin ist Jan absoluter Profi. Ich habe ihn auch schon mehrfach für Making-Of-Fotos begleitet und bin immer wieder fasziniert, wie er arbeitet.
Scrollytelling unter der Erde
Doch, was nutzen die vielen Einzelteile aus Texten, Illustrationen, Fotos und angesammeltem Wissen, wenn es nicht gut nachvollziehbar – oder wie in unserem Fall gut scrollbar – zusammengebracht wird? Dieses große Kunststück hat Magaziniker Claus Schöffel vollbracht.
Claus, warum ist Scrollytelling zu Deiner Lieblingsdisziplin geworden (oder auch nicht)?
Am Anfang haben mir die Kollegen erzählt: „Wir planen einen besonderen Artikel: Wir wollen, dass der Leser da selbst durch einen kilometerlangen Tunnel scrollt und überall reinschauen kann. Wir zeigen Erklärungen, Fotos, Illustrationen und Animation und wir betonen Tunnellänge, Geschwindigkeit und Experimente. Geht das?“
Ich habe darauf einfach mal „Ähm, ja“ geantwortet und erst später darüber gegrübelt, was das denn bedeuten könnte.
In den nächsten Wochen haben wir sehr viel ausprobiert: Animationsarten, Parallaxe, Überblendungen, Zoomen – allesamt sehr beeindruckende Effekte, aber auch aufwändig umzusetzen. Wir waren voll von Ideen und hatten dann plötzlich insgesamt von allem zu viel.
Animationen, Parallaxe, Überblendungen, Zoomen – beeindruckende Effekte, aber auch ganz schön aufwändig umzusetzen.
Claus Schöffel, Leiter Digitales bei den Magazinikern
Es zeigte sich: Erst als wir den Ablauf unserer Elektronen-Röntgenlaser-Geschichte wirklich fertig und die Illustrationen und Fotos alle beisammen hatten, wussten wir, was wir brauchen und was nicht.
Ob ich nochmal „Scrollytelling“ machen würde? Auf jeden Fall, ich habe ja jetzt jede Menge Experimente in der Schublade!
Wie das Licht am Ende des Tunnels entsteht
Wenn Sie sich die Summe aller Teile anschauen und erfahren möchten, wie „Das Licht am Ende des Tunnels entsteht“, dann lesen Sie gleich hier den Artikel über das „European X-Ray Free-Electron Laser“ und was Physiker, Biologen, Chemiker und Mediziner mit diesem besonderen Licht anfangen.