Wer in der Unternehmenskommunikation tätig ist, hat es mit Menschen aus aller Welt zu tun. Und fragt sich mitunter: Was gilt wo als höflich? Die Leadership und Diversity Trainerin Fadja Ehlail gibt uns im Interview (fast) keine Praxistipps zur interkulturellen Kommunikation – aber Antworten auf viel größere Fragen.
Fadja, wir nennen uns alle beim Vornamen, weil wir zwecks Terminfindung für dieses Interview einige Male Kontakt hatten. Es war aber klar, dass wir dich erst einmal als Frau Ehlail ansprechen und abwarten, ob du uns das „Du“ anbietest. Empfindet es zum Beispiel eine Ansprechpartnerin aus den USA, wo gefühlt jeder nur einen Vornamen hat, nicht als arg distanziert, wenn ich sie sieze?
Das ist, zumindest aus geschäftlicher Perspektive, egal. Es ist ein Märchen, dass Geschäfte nicht zustande kommen, weil man die Visitenkarte falschrum überreicht hat. Meiner Erfahrung nach ist das nie das Problem.
Wenn Benimmregeln also weniger entscheidend sind – worauf müssen wir dann achten bei der interkulturellen Kommunikation mit Kolleg*innen, Geschäftspartnern und -partnerinnen?
Erst einmal müssen wir wegkommen von dem Begriff interkulturelle Kommunikation. Als ich 2005 eine Ausbildung zur interkulturellen Trainerin machte, war das der heiße Scheiß. Inzwischen sind wir aber viel weiter: Wahrnehmung, Prägung und Werte der kommunizierenden Menschen stehen jetzt im Zentrum und nicht ein Werkzeugkasten für die erfolgreiche Kommunikation, die sich viele wünschen. Heute geht es um Diversität.
„Du hinterfragst deine eigene Prägung: Warum nervt dich das, was Herr Abdallah da macht?“
Das heißt, ich akzeptiere, dass andere anders sind, und dann klappt’s auch mit der Kommunikation?
Wenn du verstehst, dass es nicht die „richtige“ Art gibt, mit „der“ Französin oder „dem“ Chinesen zu interagieren, erhöht das die Chancen, dass wir gut miteinander ins Gespräch kommen. Wir begegnen Menschen, nicht Kulturen. Und jeder Mensch hat seine individuellen Erfahrungen, seine Prägung.
Verstanden. Aber wie hilft mir das bei der Interaktion mit Ansprechpartner*innen aus aller Welt?
Du setzt bei dir an und hinterfragst deine eigene Prägung: Warum nervt dich das, was Herr Abdallah da macht? Wenn wir unser eigenes Mindset reflektieren und erkennen, warum wir das Fremde fremd finden, können wir Gelassenheit entwickeln. Und Unternehmen profitieren gewaltig von Diversität, die nicht nur oberflächlich ist, sondern unterschiedlich eingestellte Menschen zulässt.
Was ist denn konkret der Vorteil eines diversen Teams?
Menschen tendieren zu Ähnlichem. Dabei ensteht Kreativität und Resilienz in Unternehmen nur durch Vielfalt. Wie soll denn Neues entstehen, wenn alle gleich ticken? Die DAX-Unternehmen, mit denen ich arbeite, erkennen das inzwischen. Start-Ups und das Silicon Valley leben das schon lange. Nur tun sich nicht alle Führungskräfte leicht damit. Es ist eben gemütlicher, sich nicht mit dem Anderen oder Neuen auseinandersetzen zu müssen. Aber Monokultur funktioniert schon in der Natur nicht gut, dort sieht man: Sie ist sehr anfällig für Schädlinge und Störungen von außen.
„Es gibt nicht nur die lauten Gewinnertypen.“
Was kann die Unternehmenskommunikation zur Diversität beitragen?
Sie kann Sichtbarkeit schaffen! Damit meine ich keinen Artikel über den Azubi mit Glutenunverträglichkeit, der seinen Job aber auch ganz toll macht. Es ist essenziell, Erfolge zu feiern – gerade Erfolge, die durch Scheitern entstanden sind. Diversität zu leben, bedeutet auch das Zulassen von vermeintlichem Scheitern. Erfolg entsteht selten auf geradem Wege, sondern durch Trial-and-Error. Das darf und muss gezeigt werden. Es gibt nicht nur die lauten Gewinnertypen.
Du trainierst vor allem Führungskräfte. Verrätst du uns eine Übung, um die eigene Geisteshaltung zu reflektieren?
Stell dir vor, wie jemand anderes oder auch ein Gegenstand dich vorstellen würde. Was würden deine Mutter oder dein Tennisschläger über dich sagen? Die Sicht auf uns von außen hilft. Wir brauchen das Andere, um uns selbst zu definieren. Und wir müssen uns selbst kennen, um erfolgreich mit anderen kommunizieren zu können. Dafür ist das Meditieren essentiell: Den eigenen Geist zu entdecken, sich selbst auf die Schliche kommen – das ist der beste Weg, eine Vielfalt in allen Bereichen zulassen zu können.
Fadja Ehlail aus der Sicht der Magaziniker
Offen ist sie. Sie weiß, wer sie ist und hat keine Scheu, das zu zeigen. Ihr Horizont ist weit. Sie trägt keine Scheuklappen und ist offen für andere. Dass ich fast den Interviewtermin verpasste, nimmt sie gelassen. Vielleicht auch, weil sie uneitel ist. Aber machen Sie sich doch ein eigenes Bild von Fadja Ehlail und ComAcross!