Der Instant-Messaging-Dienst Snapchat wird derzeit als heißer Marketing-Kanal für Unternehmen gehandelt, die auf eine sehr junge Zielgruppe schielen. Manch einer sieht nun sogar Potenzial für die B2B-Kommunikation. Ist da was dran?
Der aktuelle Hype um Snapchat ging auch an uns nicht spurlos vorüber. Im Januar habe ich mir die App installiert. Ein Kollege albert schon seit über einem Jahr mit seinen Teeny-Töchtern via Snapchat rum. Wir sind uns einig: Die Oberfläche ist hässlich und schwer benutzbar, Funktionen undurchsichtig, der Aufbau eines Freundeskreises ein Graus. Müssen wir als B2B-Spezialisten sowas ernst nehmen?
Nach viel ausprobieren und noch mehr Lesen, unsere Erkenntnis vorneweg: Nur wenn Sie bereits auf den Massenkanälen Facebook, Youtube, Twitter, Instagram und Co. alle Register des professionellen Content Marketing gezogen haben und wenn Sie eine extrem junge Zielgruppe (bis max. 25 Jahre) ansprechen möchten, nur dann ist Snapchat für B2B-
Ein tieferer Blick ins Snap-Universum lohnt sich aber trotzdem. Denn der Instant-Kanal gilt schließlich als die derzeit am schnellsten wachsende Soziale Plattform – von einem solchen Überflieger lässt sich immer etwas lernen.
Schick mir ’nen Snap
Snapchat für Einsteiger
- eine gut gemacht Snapchat-Anleitung von Phillip Steuer
- auch Spiegel Online erklärt uns Snapchat
- Florian Blaschke hat einen kritischen Blick auf die Plattform
Die Chat-Funktion via Bild oder Video mit eingebauter Selbstzerstörung kurz nach dem Betrachten bildet die Grundfunktion von Snapchat. Freunde verbinden sich durch Abscannen ihres Snapcodes, einer cool gewordenen Abwandlung des alten QR-Codes.
Dass die App dabei nicht hübsch gestaltet ist und eine sehr eigenwillige Benutzerführung aufweist, tut dem Erfolg in der jungen Zielgruppe keinen Abbruch: bei intensiver Nutzung gewöhnt man sich schnell daran. Die Filter zur Verzierung und Beschriftung meiner Selfies sind hier wesentlich lustiger als anderswo – und vor allem schnell. Denn Schnelligkeit und Authenzität sind auf Snapchat alles.
Verjüngungskur für Medienmarken
Snapchat für Kommunikatoren
- Ein mitreißendes Plädoyer für Consumer Marken mit sehr junger Zielgruppe von Olaf Kolbrück.
- Der Blogger Gary Vaynerchuk findet: B2B auf Snapchat ist das nächste heiße Ding.
- Etwas kritischer sieht die „Absatzwirtschaft“ Snapchat für Unternehmen.
Spannend für Unternehmen ist der neben der Chat-Funktion angeflanschte Discover-Bereich. Dort bereiten heute schon Medienhäuser ihre Inhalte attraktiv für Snapper auf: audiovisuelle Animationen und Videoteaser ebnen den Weg auch in längere Lesestücke. So ist zum Beispiel CNN oder National Geographic vertreten. Deren Auftritte wirken im Vergleich zu ihrem sonstigen Erscheinungsbild viel flotter, neuer und spannender. Sie wirken auf Snapchat einfach jünger und lebendiger.
Jung, schnell und lesefaul
Ein gutes Beispiel für eine sinnvolle journalistische Nutzung war auch das Snapchat-Diary der Grammy Awards. Auf dem Video sah man Stars auf dem roten Teppich, verwackelte Clips von Auftritten und Dankesreden, alles kombiniert mit Bauchbinden und kurzen Funfacts. Zudem lag über den Clips ein eigenes Grammy Banner. Für die jungen, schnellen und Lesefaulen sicher eine attraktiveres Angebot als die Artikelserie auf Spiegel Online.
I don’t really see what they send.
I tap through so fast.
It’s rapid fire!
Wie schnell Snapchat und ihre jungen Nutzer wirklich sind, können Sie in diesem beeindruckenden Bericht des Bloggers Ben Rosen nachlesen, der das „richtige“ Snappen von seiner 13jährigen Schwester gelernt hat – und sich dabei mit seinen 25 Jahren schon ziemlich alt fühlte.
Content schafft Nähe und Authentizität
Entscheidend auf Snapchat ist die Unmittelbarkeit. Ich bekomme Informationen direkt nachdem etwas passiert ist. Das Medium vermittelt das Gefühl von Nähe und Intimität als wären meine Freunde dabei gewesen, weil die auch diese Wackel-Videos verschicken. Mit minimalem Lese- und Zeitaufwand wusste ich beim Grammy-Beispiel wer richtig abgeräumt hat. Und dass der Clip morgen nicht mehr verfügbar ist? Das ist mir egal, denn darüber spreche ich heute. Morgen gibt’s neue Themen.
Snaps für die Mitarbeiter?
Macht sich Snapchat auch in der Belegschaft breit, dann könnten interne Kommunikatoren mit Snap-Diaries beispielsweise vom ersten Messetag, über einen typischen Arbeitstag eines Azubis oder über den Firmen-Marathon einen die (digitale) Mitarbeiterzeitschrift flankierenden Content Kanal eröffnen und mit authentischen Berichten Sympathiepunkte sammeln.
Content für 24 Stunden
Aber lohnt der ganze Aufwand? Im B2B ist es schwer vorstellbar, aufwändig produzierten Content für nur 24 Stunden Sichtbarkeit zu erstellen. Aber vielleicht wählt man Snapchat der Coolness wegen und verewigt das danach auf Youtube wie z.B. Eva Schultz.
Ein Ansatz, der zumindest unsere Fantasie beflügelt: Snaps auf Youtube haltbar machen und dann über Blog oder Facebook posten. Mit dem richtigen Thema kann das ein witziger, schneller und zumindest im Moment noch innovativer und billiger Video-Content-Generator sein.