Der Satz, der alles besser macht

Es gibt einen einfa­chen Crash-Test für jedes Magazin. Wer die Frage „Was ist die Idee?“ nicht in einem Satz beant­worten kann, fährt gegen die Wand.

Leser sind nicht lieb. Leser haben keine Zeit. Alles was sie haben, wenn sie ein Magazin anschauen, ist die Frage: Wer bist du und was kannst du mir bieten? Wenn das Magazin mit Power­point­bei­lage ausge­lie­fert werden muss, um diese Frage zu beant­worten, sind Leserin oder Leser weg, ehe der Beamer einge­steckt wäre.

Klar kann ein Magazin ein Konzept haben oder gerne auch mehrere. Ein redak­tio­nelles, ein grafi­sches, viel­leicht auch ein foto­gra­fi­sches, eines für die Vermark­tung, für die Online-Stra­tegie und für die Content-Distri­bu­tion. Aber am Ende nutzt das alles nichts, wenn am Anfang nicht etwas anderes steht: Eine einfache jour­na­lis­ti­sche Idee. Die sollte auf ein Post-it passen. So, dass jeder Betei­ligte sie sich später auf den Hand­rü­cken oder hinter die Ohren täto­wieren kann.

Hey Leser, ich hab, was du brauchst

Diese Idee ist der Kern, das Wesen, die Seele des Maga­zins. Wenn die Idee trägt, entfaltet sich alles andere ohne viele weitere Worte: „Ein männ­li­ches Magazin über die Lust am Fleisch“ oder „Ein Magazin über den Städ­ter­traum vom Land­leben“ oder „Über das Niemands­land zwischen Jugend und Erwach­sen­sein“ oder einfach „Über das Aben­teuer, die Welt zu entde­cken.“ Wer sich mit so einer Idee, ein oder zwei fähigen Redak­teuren und Grafi­kern hinsetzt, wird viel­leicht zu etwas anderem als „Beef“, „Land­lust“, „Neon“ oder „National Geogra­phic“ kommen. Aber es werden Titel sein, die Lesern gute Gründe geben, sie zu lesen.

BEEF: über die Lust am Fleisch (und Blut)

BEEF: über die Lust am Fleisch (und Blut)

LANDLUST: über den Städtertraum vom Landleben

LANDLUST: über den Städ­ter­traum vom Land­leben

NEON: aus dem Niemandsland zwischen Jugend und erwachsen sein

NEON: aus dem Niemands­land zwischen Jugend und erwachsen sein

NATIONAL GEOGRAPHIC: über die Entdeckung der Welt

NATIONAL GEOGRAPHIC: über die Entde­ckung der Welt

EVAU: über Menschen, die was wuppen

EVAU: über Menschen, die was wuppen

Und im Ideal­fall mündet die Idee in einem einzelnen Satz auf dem Cover oder dem Brow­sertab: „Verstehe die Zusam­men­hänge“ heißt es zum Beispiel beim Recher­che­ma­gazin “Kraut­re­porter”, „Magazin über Fußball­kultur“ bei 11 Freunde oder „Männer kochen anders“ bei Beef. Da haben die Leser ihre Antwort. So sieht es draußen im freien Maga­zin­markt aus, wo Menschen von anderen Menschen Geld für ihre Maga­zine (oder die Werbung darin) wollen. Und das sollte für jeden Corpo­rate-Publi­shing-Titel Vorbild sein.

Zieh am roten Faden

Digi­tale und gedruckte Unter­neh­mens­ma­ga­zine verlangen ja etwas noch viel Kost­ba­reres von anderen Menschen, um wirken zu können. Nämlich ihre Zeit und ihre volle Aufmerk­sam­keit. Ohne eine klare Antwort auf die erste Leser­frage, werden sie die aber kaum bekommen. Wer sich als Maga­zin­ma­cherin oder -macher in einem Unter­nehmen zu einer klaren Idee durch­ringt, hat aber auch selbst etwas Nütz­li­cheres als zwanzig Folien Konzept­prä­sen­ta­tion. Das Ergebnis ist ein einfa­cher roten Faden, um Themen heran­zu­ziehen – und ein Base­ball­schläger, um Begehr­lich­keiten und Themen­wün­sche abzu­schmet­tern oder umzu­biegen.

„Passt nicht ins Konzept“ stört niemand, der ein Thema ins Magazin drücken will. Die Rück­frage: „Wie passt das zu *Leit­satz*?“ dagegen beför­dert den Ball sofort zurück ins andere Feld. Und selbst wenn er wieder geflogen kommt, wird er einen viel schö­neren Spin haben.

„Das Mitarbeiter­magazin von X“ oder „das Unter­neh­mens­ma­gazin von Z“ ist also keine Maga­zinidee und hilft weder Lesern noch Machern.

Martin Reinhardt

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