„Ich find das aber besser.“ „Nein, die ist schöner!“ „Also ich finde...“ Ich, ich, ich. Headlines sind wie Kartoffeln: Jeder hat eine Meinung und viele denken, was gut ist, sei Geschmacksache.
Die Kartoffelwirtschaft hat das Problem mit der „Geschmackssache“ mit den „Kartoffelgeschäftsbedingungen“ gelöst. 1956 schrieb die Branche in den Berliner Vereinbarungen mit objektiven Kriterien fest, was gute Kartoffeln sind und was nicht. Etwas Vergleichbares gibt es für Headlines nicht. Höchste Zeit für etwas Butter bei die Kartoffeln:
- Eine gute Headline braucht eine gute Geschichte mit einer Kernaussage. Ist die Geschichte beliebig, breit oder unwichtig, wird auch die Headline beliebig.
- Eine gute Headline benennt das Thema. Sie darf Bilder, Vorspann oder Ähnliches als Resonanzkörper nutzen. Aber sie sollte sich nicht darauf verlassen.
- Eine Headline enthält eine Behauptung, eine Aufforderung oder ein Versprechen. Wenn das gelingt, zwingt sie zur Auseinandersetzung mit ihr.
- Fragen sind keine guten Headlines. Fragen kann man ausweichen, selbst wenn sie den Leser direkt ansprechen. Wer ruft: „Ihr seid doch alle faul“, hat garantiert mehr Leser, als wenn er fragt: „Warum seid ihr so faul?“
- Eine gute Headline spielt mit den Urtrieben. Wenn es um Sex, Blut, Angst, Krankheit, Tod, Gier, Geld, Hass, Liebe geht, ist die Aufmerksamkeit sicher. Und nein, das ist nicht nur etwas für den Boulevard. Es kommt nur darauf an, wie man es macht.
- Eine gute Headline darf lang sein. Die stärksten Headlines bestehen aus Subjekt, Prädikat und Objekt. Damit erzählt schon die Headline eine ganze kleine Geschichte. Ein-Wort-Headlines sind selten starke Headlines.
- Eine gute Headline benutzt kurze, starke Worte: Worte, die etwas beschreiben, das man in die Hand nehmen, machen oder fühlen kann. Physische Handlungen sind am stärksten und das Ding schlägt immer das Konzept und das Verb das Adjektiv: Tränen sind stärker als Trauer, und wenn ein Mann heult, ist das stärker als ein weinender Mann.
- Eine gute Headline benutzt gebeugte Verben. Wer schreibt „Gehet hin in Frieden!“, schaut dem Leser in die Augen und fordert ihn zu einer Handlung auf. Wer sagt „In Frieden gehen“, macht es wie ein schüchterner Mensch auf einer Party: Er sagt etwas Unbestimmtes zu niemand Bestimmtem und bekommt keine Antwort.
- Eine gute Headline braucht keinen Witz, keinen doppelten Boden, keine Wortspiele und keine überraschende Wendung. Wenn sie das auch noch hat, ist sie vielleicht eine bessere Headline. Vielleicht aber auch nicht.
- Und schließlich: Eine gute Headline braucht Zeit und Hirnschmalz. Um so mehr, je abstrakter die Geschichte ist.
PS: Nein, es gibt keine echten Beispiele in diesem Artikel, sonst landen wir wieder bei Kartoffeln und Geschmack. Drum: Wer Beispiele will, wende diese Faustregeln auf seine bevorzugten Magazine, Onlinemagazine, Nachrichtenportale, Zeitschriften, Magazin-Apps oder Tablet-Ausgaben an. Dort wird er sie finden (oder auch nicht).
PPS: Ja, diese Regeln gelten auch online. Dort gelten sie sogar in noch viel stärkerem Maß. Auf Druckseiten gibt das Bild oft den ersten Ausschlag. Online im Newsstream ist die geschriebene Head das entscheidende Element, selbst wenn ein Bild sie begleitet.