Mit der Corona-Pandemie erhielten Live-Events digitalen Aufschwung – und das quasi über Nacht. Doch für Begeisterung vor den Bildschirmen sorgen nur Online-Events mit gut durchdachtem Konzept. Wie sich Event und Dramaturgie finden, erzählt uns Veranstaltungsexperte Hans-Georg Arzt.
Herr Arzt, mit 20 Jahren Erfahrung in der Eventbranche dürfen wir Sie wohl als alten Hasen bezeichnen, was Live-Kommunikation betrifft. Wie haben Sie die jüngsten Veränderungen in Ihrer Branche erlebt?
Die Digitalisierung hat sich massiv beschleunigt. Das begrüße ich sehr. Mit welcome-net sind wir schon seit Jahren gut für Online-Events aufgestellt, doch für mein Empfinden sind die Tools in der Corona-Zeit noch konsumentenfreundlicher geworden. Und es gibt jetzt mehr. Zahllose Tools für Interaktion im virtuellen Raum wurden neu entwickelt. Greenscreens, Augmented Reality (AR) beziehungsweise Extended Reality (XR), also alle Technologien, die unsere reale Welt erweitern und mit virtuellen Elementen kombinieren, gewinnen an Bedeutung.
Das heißt, ab jetzt alles nur noch digital?
Keinesfalls. Zwar werden Webinare, Online-Konferenzen und -Messen oder Hybrid-Veranstaltungen auch in Post-Pandemiezeiten nicht mehr wegzudenken sein. Doch ich denke, wir freuen uns alle wieder auf echte, analoge Begegnungen, auf richtiges Erleben mit allen Sinnen. Künftig muss man überlegen: Wo setze ich meine Prioritäten? Wann sollen sich Menschen in die Augen schauen und die Veranstaltung mit allen Sinnen erleben? Wofür brauchen sie nicht quer durch Europa fliegen? Erreichen wir mit Aufzeichnungen vielleicht sogar mehr Leute? Es ist wie mit allem: Die Mischung macht’s.
Es ist wie mit allem: Die Mischung macht’s.
Ich denke, da sprechen Sie vielen aus der Seele. Live-Kommunikation erlebt man eben, wie der Name es sagt, am liebsten live. Doch es gibt doch bestimmt einige Kniffe, auch digitale Veranstaltungen nahe ran ans Live-Erlebnis zu bringen?
Auf jeden Fall. Wenn man’s gut macht, ist es fast wie offline. Doch dazu bedarf es einer guten Vorbereitung. Was ich momentan an der ein oder anderen Stelle sehe, stimmt mich nachdenklich. Bei so manchem Streaming-Event wird eine Bild-, Licht- und Tonqualität gezeigt, die bei einer Präsenzveranstaltung niemand tolerieren würde. Oft fehlt es schon am Screendesign, die Redner stehen im Dunkeln, und Studios sind leb- und lieblos ausgestattet. Oder es ist nicht das richtige Format, die Reden sind zu lang und die Präsentation zu kleinteilig.
Was muss man denn bei der Vorbereitung beachten?
Für Live-Kommunikation zählt nichts anderes als für einen guten Artikel. Die Dramaturgie ist entscheidend. Man muss sich vorher überlegen, wie man seine Botschaften am besten verpackt. Digital gilt das noch mehr als analog. Hier kann das Publikum leichter abschalten oder wegklicken, deswegen muss man es noch mehr bei Laune halten.
Für Live-Kommunikation zählt nichts anderes als für einen guten Artikel. Die Dramaturgie ist entscheidend.
Und wie gelingt das?
Eine ideale Dramaturgie spielt immer mit unterschiedlichen Elementen: Wie gestalte ich den Bogen vom Anfang der Veranstaltung bis zum Ende spannend? Ein Talk mit einem Moderator oder anderen Gästen – per Video zugeschaltet oder im Studio, Beiträge von Teilnehmern im Text-Chat oder auch Votings oder kleine Workshops bringen Abwechslung. Aber auch echte Bildschirm-aus-Zeiten sind wichtig. Sie können zur Entspannung und für ein Refresh der Wahrnehmungsorgane genutzt werden.
Worauf achten Sie bei der Erstellung Ihrer Konzepte?
Wir gehen bei unseren Konzepten von den Botschaften aus und von den Kompetenzen, die ein Redner hat. Wenn einer überzeugend ist, braucht er keine PowerPoint-Einblendungen. Andere wirken durch Interaktionen besser. Prinzipiell gilt für die digitale Live-Kommunikation: Kurz, prägnant, fesselnd und abwechslungsreich bleiben.
Prinzipiell gilt für die digitale Live-Kommunikation: Kurz, prägnant, fesselnd und abwechslungsreich bleiben.
Und dann ist da noch die Technik…
Wir empfehlen immer, die IT früh mit ins Boot zu holen, um zu klären, was geht und was nicht geht. Dabei geht es um IT-Sicherheit und Datenschutz, aber auch um Usability. Vielleicht benötigt man an der ein oder anderen Stelle ein Tutorial. Möglichkeiten zum Branding und Design der Oberflächen und Screens würde ich immer bestmöglich nutzen, aber dabei übersichtlich bleiben.
Um bei Licht- und Tontechnik professionell zu wirken, kommt man um gute Qualität nicht herum. Abgestimmtes Licht und ein guter Ton sind jedoch mit einfachen Mitteln realisierbar und tragen zum positiven Gesamteindruck bei. Das gilt auch für die Ausstattung und das Design des Studios und die Rednerhintergründe. Wer dann noch die Veranstaltung in die Hände einer erfahrenen (Bild-)Regie legt, hat schon viel für den Erfolg des Events getan. Und ist am Event selbst entlastet.