Ein vermeintlich albernes Hobby beflügelt Magaziniker Anton im Job: Er spielt privat Rollenspiele. Das hilft ihm bei Pitch-Präsentationen, Texten und anderen Aufgaben aus dem Agenturalltag.
Ich bin rückfällig geworden. Für einen Artikel unseres Indiemagazins EVAU habe ich mich in die Würfelhölle gewagt und eine Runde Pen & Paper Rollenspiel gespielt. Und es war geil. Seither bin ich wieder als Gamemaster aktiv.
Okay, ein Schritt zurück für Nichteingeweihte, denen jetzt ein Fragezeichen über dem Schopf schwebt. Was ist Pen & Paper? Ich versuche, es kurz zu machen: Pen & Paper ist im weitesten Sinne eine Brettspielgattung. Ein sogenannter Gamemaster (im Deutschen auch: Meister) beschreibt ein Szenario, in dem seine Mitspieler als Helden agieren dürfen.
So funktioniert das
Zum Beispiel: „Ihr steht in einer Höhle, vor euch steht ein Drache.“ Die Spieler dürfen dann bestimmen, wie sie sich verhalten. Im Sinne eines Rollenspiels müssen sie dabei darauf achten, sich ihres Charakters entsprechend (etwa „strahlender Held“ oder „verlogener Dieb“) zu verhalten. Man ist aber nicht ganz frei, auch das Würfelglück spielt eine Rolle. Soweit, so kurz. Ausführlicher kann man es sich bei Interesse auch in diesem Video mit Vin, einem Bekannten von mir, anschauen:
Ich spiele jetzt also seit einer Weile wieder solch ein Pen & Paper, genauer gesagt Shadowrun. Es spielt in einer Cyberpunkwelt, in der die Magie erwacht. Es geht um Orks und Trolle, die mit Maschinengewehren und Zaubersprüchen gegen böse Megakonzerne kämpfen. Fett, oder? Oder? ODER?!
Macht Spaß und formt den Charakter
Egal, mit Details will ich hier gar nicht länger aufhalten, aber eines sei gesagt: Wenn alle Beteiligten ohne falsche Scham mitmachen, macht so eine fünfstündige Rollenspielsession mächtig Laune.
Neben dem Spaß in der Freizeit ist mir aber auch aufgefallen, dass mich das beruflich weiterbringt. Seit einiger Zeit bin ich irgendwie lockerer in Präsentationen. Und irgendwie flutschen die Ideen auch besser. Ich glaube, das liegt an dem Rollenspiel.
Und das liegt daran: Dieses Gamemastern verlangt einiges an Überwindung. Klar, da sitzen meine Freunde vor mir, aber trotzdem muss ich mir ein Herz fassen, um Figuren vom fiesen Mafiosi bis hin zum traumatisierten Knaben darzustellen. Ich lege da den gleichen Schalter um wie vor Präsentationen. Denn auch bei Präsentationen gehört ein bisschen Show immer mit dazu, insbesondere beim Pitch. Freies Reden fällt mir ebenfalls leichter. Denn schließlich würde man mich sofort aus der Spielwelt schmeißen, wenn ich alles ablesen müsste.
Voll gut für die Kreativität
Die andere Sache, die Rollenspiele auszeichnet: Man muss spontan reagieren können. Wie gesagt, die Spielwelt ist vollkommen offen. Die Spieler können innerhalb des Regelsets machen, was sie wollen. Dabei machen sie in den allermeisten Fällen Dinge, mit denen ich vorher nicht gerechnet habe. Als Gamemaster muss ich darauf reagieren und die depperten Aktionen in ein funktionierendes Narrativ einbetten. Am Ende des Abends wollen die Spieler nämlich eine runde Geschichte erlebt haben.
„Irgendwie flutschen die Ideen besser. Ich glaube, das liegt am Rollenspiel.“
Schnell reagieren können auf Unvorhergesehenes, das hilft mir etwa im Interview oder auch im täglichen Kundenkontakt dabei, im Gespräch schlagfertig zu bleiben und trotzdem meine Agenda zu verfolgen. Das Einbetten ins Narrativ wiederum ist eine gute Fingerübung fürs Storytelling an sich. Wenn ich Texte schreibe, muss ich schließlich auch aus einem oft unübersichtlichen Wust an Informationen ein kohärentes Etwas erschaffen.
Einfach schön
Als mir neulich die Erkenntnis kam, dass mein Quatschhobby mir ernsthaft im Job hilft, wurde mir eins klar: Inspiration für einen Kreativjob kann praktisch aus jeder Ecke des Lebens kommen. Auch aus dem nerdigsten Hobby. Und das ist doch schön.