Unternehmenskommunikation: Erreichen Sie wirklich alle Ihre Mitarbeiter? Was ist eigentlich mit Kollegen, die schlecht Deutsch sprechen oder nicht gut lesen können? Hier hilft Leichte Sprache.
Diesen Artikel können Sie auch in Leichter Sprache lesen.
Mitarbeitermagazine wollen informieren, orientieren und unterhalten. Doch wie soll das funktionieren, wenn die Empfänger nicht gut Deutsch verstehen oder kaum lesen können? Hand aufs Herz: Haben Sie Ihren Vertrag zur privaten Haftpflichtversicherung gelesen – komplett mit Kleingedrucktem – und alles verstanden? Für überraschend viele Menschen fühlen sich „normale“ Texte wie Versicherungsverträge an. Sie verstehen sie nicht oder lassen das Lesen lieber gleich ganz bleiben.
Randphänomen? Nein!
In Deutschland leben rund 7,5 Millionen Erwachsene, die Texte auf normalem Sprachniveau nicht oder kaum verstehen – sogenannte funktionale Analphabeten. Das sind fast 15 Prozent aller Erwerbsfähigen und mehr Menschen als zusammengenommen in Berlin, Hamburg, München und Köln wohnen.
Das Problem betrifft nicht nur Migranten: Für mehr als die Hälfte der funktionalen Analphabeten ist Deutsch Muttersprache. So sind die Fakten.
Man kann also davon ausgehen, dass es in jedem größeren Betrieb Mitarbeiter gibt, die sich mit dem Lesen schwertun.
Daraus ergeben sich beunruhigende Fragen für interne Kommunikationsabteilungen: Wie viele Mitarbeiter in Ihrem Betrieb wissen eigentlich, was ein „ergonomischer Arbeitsplatz“ ist, den das Gesundheitsmanagement ständig bewirbt? Haben wirklich alle Ihrer Kollegen verstanden, wozu es immer mal wieder eine Mitarbeiterbefragung gibt? Können alle den Fragebogen ausfüllen? Was bleibt vom großen Chef-Interview im Mitarbeitermagazin zur Lage des Unternehmens hängen?
Hürden abbauen
Wer möglichst alle Mitarbeiter ansprechen will, sollte sprachliche Hürden abbauen. Als Hilfsmittel dafür wurde vor zehn Jahren Leichte Sprache entwickelt: eine stark vereinfachte Form des Deutschen, die auf kurze Sätze und kleine Sinneinheiten setzt, dabei schwierige Wörter meidet oder erklärt.
Leichte Sprache entstand in der Behindertenhilfe. Es zeigte sich jedoch schnell, dass längst nicht nur Menschen mit geistiger Behinderung immens von Leichter Sprache profitieren, sondern alle Personen mit geringer Lesekompetenz: Immigranten, funktionale Analphabeten, Alte.
Leichte Sprache ist keine Kindersprache. Sie soll komplexe Botschaften transportieren – zum Beispiel Gesetzestexte –, ohne sie unzulässig zu vereinfachen.
Für diese anspruchsvolle Aufgabe gibt es professionelle Übersetzungsbüros. Ein wichtiger Bestandteil der Übersetzung ist, dass die Ergebnisse immer von Menschen mit schwachem Leseverständnis geprüft werden. Wenn die sagen, dass sie es nicht verstehen, muss der Übersetzer noch einmal ran, solange, bis es klappt.
Leichte Sprache in der Mitarbeiterkommunikation
Digitale Mitarbeitermagazine machen es einfach, einzelne besonders wichtige Artikel zusätzlich in Leichter Sprache anzubieten: entweder per Sprachen-Umschalt-Button am Seitenkopf oder als gesonderte Auswahl.
Unbeobachtet am Rechner lässt sich Leichte Sprache viel entspannter nutzen. Denn so gut wie alle funktionalen Analphabeten schämen sich ihrer Schwäche und verstecken sie. Ein gedrucktes Mitarbeitermagazin in Leichter Sprache würde wohl kaum jemand bestellen oder vom Stapel greifen. Für Printprodukte bietet sich daher eine Beilage in Leichter Sprache an.
Leichte Sprache liegt im Trend: Angebot wie Nachfrage steigen. Bisher sind es jedoch hauptsächlich Behörden, soziale Vereine oder öffentlich-rechtliche Medien, die sie nutzen. Unternehmen halten sich zurück.
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Also: Schluss mit dem Herrschaftswissen. Sagen Sie es leicht. Denn: Wer würde bei seiner Steuererklärung nicht auch gerne mal den Leichte-Sprache-Knopf drücken wollen?
Gute Beispiele für Leichte Sprache:
- Nachrichten des Deutschlandfunks
- Das Wahlprogramm der SPD für die Jahre 2017 bis 2021 (PDF) – fast alle Parteien haben schon Angebote in Leichter Sprache.
- Ratgeber für Leichte Sprache des Bundesministeriums für Arbeit (PDF)